Kloster Auhausen

500 Jahre Schäufelin-Altar in Auhausen
Jubiläum vom 12.-14. Juli für Dürer-Schüler in der Klosterkirche

Auch wenn das Gegenteil nicht mehr belegbar sein dürfte, so war wohl doch der Zufall im Spiel, dass einige Monate nach der Enthüllung des weltberühmten Deckengemäldes in der Sixtinischen Kapelle zu Rom durch Michelangelo am 1. November 1512 auch der Altar des Dürer-Schülers Hans Schäufelin in Auhausen seine feierliche Weihe bekommen sollte.
Auhausen, das ehemalige Klosterdorf an der Nahtstelle zwischen dem früheren Riesgau und dem Sualafeldgau und nunmehr in der fränkisch-schwäbischen Grenzregion gelegen, ist ein geschichtsträchtiger Ort mit weit über 1000-jähriger aktenkundlicher Vergangenheit. Nicht nur von Ereignissen, welche sich in heutigen Geschichtsbüchern wieder finden, wie beispielsweise die Vereinigung der rebellierenden Bauernhaufen aus dem Ries und dem Hesselberg-Raum im Mai 1525 mit verheerendem Klostersturm und der anschließenden Schlacht bei Ostheim, sowie der Gründung der Protestantischen Union 1608 als Gegenpart zur katholischen Aggression mit der Rekatholisierung der evangelisch gewordenen Reichsstadt Donauwörth – und wohl mit ein Auslöser des Dreißigjährigen Krieges – gibt es zu berichten.
Auch unbekanntere Geschichten haben mit diesem Ort zu tun: Wer weiß, dass die Nibelungen auf ihrem Zug zum Hunnenkönig in Ungarn entlang der Wörnitz reisten und auch Auhausen passiert haben dürften? Wie bekannt ist, dass die Herren von Auhausen die belegten Stadtgründer von Jena in Thüringen waren? Wo wird noch davon gesprochen, dass sich hier die südliche Grenze eines Königreiches Preußen, sogar mit stationierter preußischer Grenzgarnision, befunden hat? Wie bekannt ist detailliert die Passage des weltberühmten Jakobswegs auf dem Gemeindegebiet von Auhausen? Wem ist die frühe geistige Schaffenskraft und enorme Wirtschaftsleistung des Benediktinerklosters bekannt, das wohl bereits im 12. Jahrhundert als „Hirsauer Reformkloster“ entstanden ist? So dürftig die Aufzeichnungen über die Klostergründung im Stammland der Auhauser Familie der Hartmann – eingezwängt zwischen den mächtigen Herren von Truhendingenden und Grafen von Oettingen – auch vorhanden sind, über den Fortgang dieser „Erfolgsgeschichte“ ist inzwischen einiges enträtselt worden.
„Das Besondere an Auhausen“ hat der große Sohn von Auhausen und Rieser Heimatdichter Otto Meyer in seinem Buch „Als das Dorf noch meine Welt war“ (1963) auf den Punkt gebracht durch die „Allgegenwart der Vergangenheit“: „ Der eindruckvollste Zeuge dieser Vergangenheit aber, groß, stattlich, imponierend und dadurch zugleich Abstand und Ehrfurcht gebietend, dass er dem Alltagstreiben entrückt ist, spricht und sprach wohl zu allen Zeiten hier ein Wort von Werden und Vergehen, von Glanz, Aufstieg und Verfall, das keiner überhört und missversteht: die ehrwürdige, gelassen dreinblickende Kirche…“ .

historische Aufnahme des geschlossenen
Hochaltars während der Passionszeit

Selbstbildnis von Hans Schäufelin
( Ausschnitt aus linkem Flügel)

In Schwaben an erster Stelle
Der heutige Kirchenbau in der nordschwäbischen Gemeinde Auhausen gilt als der zweitgrößte sakrale Bau im Altkreis Nördlingen und hat im Laufe seines Bestehens so manche Veränderung erfahren. Den baulichen Hauptteil bildet die dreischiffige romanische Pfeilerbasilika aus dem 12. Jahrhundert mit der während der Kirchenrenovierung (1970 – 1978) wieder entdeckten und freigelegten wertvollen Renaissance-Decke aus dem Jahr 1542 sowie dem mächtigen Turmpaar aus dem 13. Jahrhundert. Hierin befinden sich fünf Bronze-Glocken, die wegen ihres ehrwürdigen Alters weder im ersten noch im zweiten Weltkrieg zum Einschmelzen abgeliefert werden mussten. Die älteste Glocke stammt aus dem Jahre 1264. Es ist die „ Zwölfuhrglocke“ auf dem Südturm – und steht in Schwaben an erster Stelle unter den datierten Glocken des 13. Jahrhunderts.
Der spätgotische Chor-Raum ist dem letzten Abt dieses Klosters, Georg Truchseß von Wetzhausen (1465 – 1552), zu verdanken, der 1499 nach Auhausen gekommen ist. Er war ein Kirchenführer, der humanistischen Studien und bildenden Künsten zugetan war, aber auch ein hervorragender Wirtschafter und eine mit planerischer Vorstellungsgabe ausgestattete Person.
Einen kleinen Einblick auf die baulichen Aktivitäten dieser Zeit geben die Aufzeichnungen des Lehrers und Historikers Martin Winter aus Hohentrüdingen:
„Abt Georg begann sofort nach seinem Amtsantritt im Jahre 1499 mit der baulichen Erneuerung der gesamten Klosteranlage. Den Kreuzgang ließ er mit einem neuen Gewölbe versehen und die Wände mit den Wappen des Reiches, der Kurfürsten, Fürsten, Grafen und Ritter ausmalen, wohl in Erinnerung daran, dass das Kloster einmal unter dem Schutze des Reiches stand und die Ritterfamilien der Umgebung hier ihre Grablege fanden. An den Kreuzgang ließ der Abt das Schlafhaus, einen Speiseraum, eine Krankenstube, einen Kapitelsaal und die Bücherei neu errichten. Dazu kamen auch noch neue Wirtschaftsgebäude.
Die Wände der Seitenschiffe des romanischen Langhauses ließ der Abt abreißen und neu aufführen, wobei große gotische Fenster und Seitenkapellen angebaut wurden. Der Chor und die im Langhaus angefügten Seitenkapellen wurden mit buntem Rankenwerk ausgemalt. Auch sein Grabmal in Augenhöhe umrahmt noch heute zierliches Rankenwerk. Auf die großen Seitenflächen des von Abt Georg erbauten Chores bestellte er sich Gemälde, die sieben Freuden und die sieben Schmerzen Mariens darstellend. Dieses Thema wiederholte sich auch in der Ritterkapelle.
Noch mehr als die Baulichkeiten, die ja nur noch zum Teil erhalten sind, spricht die Ausstattung in der ehemaligen Klosterkirche von der Liebe des Abtes zur Kunst seiner Zeit. Für den schönen Marmorgrabstein seines Vorgängers Wilhelm Schechs an der Südwand des Chores zahlte er 100 Gulden an einen bedeutenden Meister. Das bedeutendste Kunstwerk, das heute noch die ehemaligen Klosterkirche zu Auhausen ziert und viele Kunstfreunde zum Besuch anzieht, ist aber der von Abt Georg gestiftete Flügelaltar von dem bekannten Nördlinger Maler Hans Schäufelin, einem Schüler Albrecht Dürers.“

Predella-Bild mit betendem Papst vor dem Kloster Auhausen;
unten rechts ein Täfelchen mit der Jahreszahl 1513 und mit der Künstler-Signatur HS (mit kleiner Schaufel)

Bedeutendes Werk der Malerei
Dieser Altar, mit Temperafarben auf Holz gemalt, gehört inzwischen zu den bedeutendsten Werken der Malerei im Ries. Auf 18 verschieden großen Feldern enthält der Flügelaltar 291 Figuren. Im Mittelpunkt steht die Darstellung der Krönung Marias im Himmel. Bei geschlossenen Flügeln – während der Passionszeit – sieht man vier Szenen aus der Leidensgeschichte des Herrn. Aber auch der junge Abt Georg ließ sich mit einem halben Rad und einem Schwert abbilden, dem Attribut der heiligen Katharina, welches auf seine Pilgerfahrt in das Heilige Land und den Besuch des Klosters der heiligen Katharina zu Bethlehem zurückzuführen sein dürfte.

Völliger Untergang des Klosters
Noch sehr jung sind all´ diese Erneuerungen und das Kloster ist auf dem Gipfel seiner Macht und Blüte, und niemand sollte erahnen, dass ein tragischer Umstand in kurzer Zeit den völligen Untergang herbeiführen würde: Die warnenden Stimmen, welche schon am Ende des 15. Jahrhunderts nach kirchlichen Reformen riefen, scheiterten am Widerstand Roms. So fiel der Funke, den Luthers Vorgehen entfachte, allerorts auf wohl vorbereiteten Zunder. Im Ergebnis sollte der dreitägige Klostersturm des Jahres 1525 durch die aufgebrachten Horden des Bauernkrieges im kleinen Auhausen viel verändern.
Das Innere der heute protestantischen Pfarrkirche wurde durch die plündernden Haufen stark beschädigt. Insbesondere das Chorgestühl des Meisters Melchior Schabert zu Werd (Donauwörth), das unrepariert noch heute mit all´ seinen „Blessuren“ bestaunt werden kann, ist auf das Schwerste beschädigt worden.

Den einzelnen Figuren, den Köpfen zwischen den Sitzen und den Misericordien sind symbolträchtig mindestens die Nasen abgeschlagen worden. Der „neue“ Hochaltar wurde, erst wenige Jahre zuvor im angebauten Chor der Kirche aufgestellt, sogar total zerstört. Unangetastet blieb der Flügelaltar von Schäufelin, wobei nicht nur das Glück allein seine „Finger im Spiel“ gehabt haben dürfte. Der ursprüngliche Standort zu jener Zeit befand sich nämlich unter dem romanischen Triumphbogen des Hauptschiffes, der dem gemeinen Volk als Bet-Stätte zur Verfügung stand – und des Volkes Zorn im Bauernkrieg richtete sich bekanntermaßen ausschließlich gegen den adligen Stand und den Klerus.
Jahrhunderte später, das Kloster ist inzwischen durch eine sehr wechselhafte Geschichte gegangen, einzelne Gebäude bereits abgerissen und schon längst säkularisiert, sollte nochmals Gefahr für diese ehemaligen benediktinische Anlage als kulturelles Gut bestehen: „Auch die Kriegsereignisse des Jahres 1945 haben glücklicherweise an kirchlichen Gebäuden keinen Schaden verursacht“, wie Ortspfarrer Adolf Herrmann protokollierte. „Der wertvolle Schäufelin-Altar war ins Allgäu ausgelagert“.
Nicht zuletzt die Tatsache, einen derart wertvollen Kunstgegenstand in der eigenen Gemeinde zu beherbergen, war Grund für den Verein Musica Ahuse und die Kirchengemeinde Auhausen, wieder einmal ein Festwochenende in der ehemaligen Klosterkirche St. Maria und dem herrlichen Klosterhof von Auhausen auszurichten.
Vielleicht steht im Jahr 2014 schon das nächste Fest an: 750 Jahre „Zwölfuhrglocke“... .

Der Schäufelin-Altar von Auhausen:
Bereits im Jahr 1969 hat der Donauwörther Stadtarchivar und Heimatkundler Hermann Seufert bewundernd über den spätgotischen Chor mit dem „ Werk des Dürerschülers in der ehemaligen Klosterkirche“ mit einem „überspringenden Funke der österlichen Freude“ sowie der „Feierlichkeit und ausstrahlenden Würde“ entzückt berichtet – und somit eine sehr ausführliche Altarbeschreibung für die Nachwelt hinterlassen:
„Die Flügel des Altars sind geöffnet, geben den Blick frei auf die Krönung Mariae durch die heilige Dreifaltigkeit und die Anbetung des Lammes durch die Chöre der Engel und Heiligen nach der Vision der Apokalypse. Doch heute streife ich nur den Schrein, mein Auge verweilt auf den Bildern des Altarunterbaues; denn Ostern, das Fest des Lichtes, zieht über die Tafeln der Predella.

Surrexit
Das Mittelstück teilen graue Pilaster mit Medaillons und vertieften rötlichen Stirnfeldern, deutlich die italienischen Vorbilder erkennen lassen. Christus, soeben auferstanden, steht vor dem leeren Grab. Der Schräge des Fahnenschaftes in der Linken entspricht eine leichte Neigung des Hauptes. Segnend ist die Rechte erhoben. Während zwei Soldaten noch schlafen, ist ein dritter aus dem Traum aufgeschreckt, hebt ob des Glanzes die rechte Hand schimmernd vor die Augen und will mit der Linken den purpurnen Königsmantel Christi festhalten, damit die Schönheit des verklärten Leibes enthüllend. Das Geschehen spielt sich in der Hochgebirgslandschaft Tirols ab; denn bevor Schäufelin 1513 dieser Auftrag der Auhausener Benediktiner erreichte, hatte er im Südtiroler Ort Lana gearbeitet. Von dort stammen die Landschaftshintergründe des Auhausener Altars mit ihren Felsen und Bergen und Burgen.

Noli me tangere
In der Mitte des Altaraufsatzes begegnet der Auferstandene, von einer Wolke umhüllt, Maria Magdalena, die demütig kniend die Hände über der Brust kreuzt, in ihrer gesamten Bewegung wie in rührend emporgewendeten Antlitz die Bescheidung des Geschöpfes und die Andacht der echten Frömmigkeit verkörpernd. „Noli me tangere“ (Rühr mich nicht an!) heißt diese Szene nach dem Christuswort, das im 20. Kapitel des Johannes-Evangeliums aufgeschrieben ist. Auf der linken Tafel des Mittelbildes bittet der Papst für das Kloster Auhausen, das im Hintergrund erkennbar ist. Der Maler weist auf den uralten Brauch der Weihe der goldenen Rose durch den Stadthalter Christi hin und auf sein Gebet, daß „Die Kirche im Schoße der himmlischen Herrlichkeit die unendliche Freude zu kosten verdiene“. Ein Täfelchen ist mit den frohen Worten beschrieben: „Regina celi letare, alleluia“. Darunter steht die Jahreszahl 1513 mit dem Künstlersignum HS. Nicht den dramatischen Sieg über den Tod gestaltet Hans Schäufelin, er schildert in hellen Farben die Ruhe des Ostermorgens Glanz und Harmonie der erlösten Welt.
Es ist ganz still in der weitgespannten Kirche. Kein Mensch ist da. Von den blühenden Tafeln des Dürerschülers Schäufelin springt der Funke österreichischer Freude über. Ich blicke hinauf zum Selbstbildnis des Nördlinger Malers am linken Altarflügel. Dann gehe ich hinaus. Es ist warm unter der Sonne. Nun erst spüre ich wie winterkalt die Kirchensteine gewesen sind. Aber draußen schlagen die Buchfinken, und eine Amsel singt in Wohllaut und Wonne.
Laetare, alleluja!

Hans Leonhard Schäufelin (* um 1480/1485 in Nürnberg; † 1538 oder 1540 in Nördlingen) war ein deutscher Maler, Grafiker, insbesondere Holzschneider und Buchillustrator der Dürerzeit; sein Künstlerzeichen war eine kleine Schaufel.
Über die ersten zwei Jahrzehnte des Lebens von Hans Schäufelin ist wenig bekannt. 1503 bis 1507 arbeitete er in der Werkstatt Albrecht Dürers in Nürnberg. Sein erstes eigenständiges und größeres Werk der Tafelmalerei, Die Flucht nach Ägypten , stammt aus dem Jahr 1504 und ist stark von Dürer beeinflusst, zu dessen wichtigsten Schülern er wohl gehörte und in dessen künstlerischer Nachfolge er stand.
1507-08 stand Hans Schäufelin im Dienste Hans Holbeins des Älteren in Augsburg, wo er zu einem eigenen, von Dürer losgelösten Stil, fand.
1515 wurde er Bürger und Stadtmaler von Nördlingen, wo er bis zu seinem Lebensende wirkte. Für das dortige Rathaus schuf er noch im selben Jahr ein großes Fresko.